Waldkind
Lernen im Wald, kreative Vorhaben und Ansätze

Lernkultur im Wald

Im Wald gibt es so vieles, was man anders denken muss und wo man sich insgesamt drauf einstellen muss. Hier ein paar Ideen zu Ausstattung, Kleidung und einfach Dinge, die sich bewährt haben.

Außerdem habe ich einmal einen Tagesablauf eingefügt, wie wir ihn in der Coronazeit mit den Jungs im Wald von 8:00-11:00 Uhr gerne geführt haben.


Grundausstattung der Kinder:

  • Rucksack, min 10 Liter, mit Deckel und 2 Schnallen (damit regentauglich und Kleidung unter dem Deckel befestigt werden kann, ohne dass sie immer herausrutscht).
  • am Besten ist im Rucksack eine Sitzunterlage
  • Vesperbox und Getränkeflasche (Emilflasche auch zur Befüllung von warmen Getränken an kälteren Tagen geeignet)
  • Armbanduhr (für Kinder, die sie schon lesen können)
  • Mäppchen gefüllt mit Buntstiften, Bleistift, Radiergummi und einer Schere
  • kleine Schaufel
  • Taschenmesser (altersentsprechend)
  • evtl. kleine Schiefertafel
  • Je nachdem, wie weit man unterwegs ist evtl. mit Fahrrädern
  • So manch ein Naturforscher besitzt ein Fernglas :-)


Grundausstattung eines Bollerwagens oder Fahrradanhängers:

  • Bewährt sind Klemmbretter (ich benutze selbst gebaute aus Spanplatten mit eingefädelten Gummibändern über Eck)
  • Bestimmbücher (gehören eigentlich in jeden Haushalt, auch gebraucht zu kaufen oder aus der Bibliothek, Themen: Vögel, Bäume und Pflanzen im Wald, Tiere im Wald), Bestimmkartensets, Naturführer, Bücher zu aktuellen Themen, etc.... Bücher müssen immer mit!
  • Schiefertafeln mit Griffel und kleinen Lappen
  • Decken, Planen und Unterlagen, Teppichfliesen, Sitzunterlagen, Isomattenstücke
  • Klappspaten (u.a. für das Geschäft :-) )
  • Kleine Erste-Hilfe-Tasche
  • Seil 
  • Wasser in Kanister oder größeren Flaschen
  • Lappen, Handtuch, Tücher (u.a. zur Materialdarstellung)
  • Tüten
  • Paketschnur, Kordeln, Draht
  • Bierdeckel
  • Teesieb oder kleine Siebe
  • Joghurteimer und kleine Becher
  • Rebschere, kleine Sägen, kleine Hämmer
  • Papier (verschiedene Formate oder auch in Waldtagebüchern)
  • Wachsmalfarben, Wasserfarben, bunte Kreiden
  • Folie und Folienstifte
  • Maßband (min 20m) und kleine Maßbänder und Meterstäbe
  • Buchstabenstempel
  • Kleinteile verpackt in größeren Plastikboxen
  • Themenkisten/ -boxen



Kleidung:

Bei den Temperaturen zur Zeit von -1 bis 5°C empfiehlt sich Folgendes, um auch ein paar Stunden ohne Erkältung draußen verbringen zu können:

Bei Sonne sind die gefühlten Temperaturen ja auch noch einmal ein bisschen höher, außerdem ist es immer interessant, wie naß es dann noch ist. Ist es noch matschig? Wenn alles trocken ist, haben meine Kinder robuste Hosen oder Arbeitshosen an, darunter aber noch mehrere Schichten, min 2, eine dicke Wollhose (oder Wollfleace) und darunter Skiunterwäsche oder Wolle-Seide. Oberteile sind es immer ein paar mehr. Unter der Doppeljacke mit Windjacke/ Regenjacke und Fleacejacke haben sie meist noch einen Fleacepullover und einen Wollpullover an, darunter dann Skiunterwäsche oder Wolle-Seide. Außerdem Fleaceschal und dicke Mütze. Da die Kinder ab 6 Jahre schon ziemlich viel auch verschriftlichen und im Wald dokumentieren, wird die Feinmotorik immer wichtiger. Bei diesen kalten Temperaturen braucht es aber noch Handschuhe, besonders gut eignen sich da Arbeitshandschuhe mit Fingern mit diesem rutschfesten Überzug an Handfläche und Fingern.

Die Grundgedanke beim Anziehen im Wald sind immer Folgende: Da die Kinder immer in Bewegung sind, fangen sie zwischenzeitlich an zu schwitzen, und dann wieder nicht, können sich aber nicht umziehen. Daher müssen die Sachen, die direkt auf der Haut sind, so sein, dass sie nie naß und kalt werden. Außerdem braucht es mehrere Schichten als wärmeausgleichende Dämmung, aber auch um die Möglichkeit zu haben, schnell eine Schicht auszuziehen (Zwiebellook). Dabei hangel ich mich im Groben an der Regel entlang: jede 5°C mehr eine Schicht weniger. Im Wald ist es generell 2-3 Grad kühler als direkt vor der Haustür. 

Bei Regen oder Matschwetter fühlen sich diese besagten Temperaturen allerdings noch kälter an. Je nachdem passt unter die Regenjacke noch eine Schicht, ein Pullover oder Fleacepulli wird dicker gewählt und anstelle der Arbeitshose ziehen wir eine robuste wasserfeste Winterthermohose an oder eine gefütterte Matschhose.

Bei Temperaturen ab 5 grad und etwas matschig mit Aussicht auf trockenes Wetter am Mittag, wähle ich auch gerne die Arbeitshose und eine ungefilterte Matschhose drüber. Bei Matschhosen achte ich darauf, dass es keine Latzhosen sind, sie hindern einfach mega beim Geschäft.

Schuhe: Bei Friertemperaturen und Matsch gibt es die Winterboots, eine Art Kombi zwischen Gummistiefel und Boots (Vorteil hierbei ist der herausnehmbare Innenschuh, sonst trocknen die Schuhe einfach nicht schnell genug bis zum nächsten Tag). Bei trockenen kalten Temperaturen wählen wir gerne die Knöchelhohen Wanderschuhe (Meindl, Lowa, etc.), und bei wärmeren Temperaturen geht der Outdoorhalbschuh oder sogar Outdoorsandalen (halbgeschlossen wie die von Keen). Bei regnerischem Wetter bieten sich im Sommer wie im Winter die guten alten Gummistiefel an. Im Winter dann gefüttert. Am besten haben sie ein ordentliches Profil (z.B. Viking). 



Waldtagebuch:

Ständig muss etwas dokumentiert werden, oder es wird etwas gesammelt und geklebt. Hier braucht es einfach eine Notizmöglichkeit. Wir kamen auf das Waldtagebuch - ein paar zusammengeschnürte Blätter, darunter ein paar karierte (ein farbiger dicker Karton, 3-5 Blätter A4, in der Mitte knicken und Paketschnur im Knick durchziehen). Bei uns gestalten die Kinder diese Tagebücher komplett selbst, sie überlegen, was sie notieren oder kleben oder hineinzeichnen möchten. Das Deckblatt bedruckten wir am ersten Tag gemeinsam. W-A-L-D-T-A-G-E-B-U-C-H! Eine riesige Leistung für unsere Kindergartenkinder. Jeder wollte eines haben, ob er schon schreiben kann oder nicht.... das interessiert hier im Wald auch noch nicht so sehr. Hauptsache den Kindern macht das Lernen Spass und alles, was von ihnen selbst an Ideen kommt, wird in den Plan mit eingebaut. Grundsätzlich korrigiere ich hier keine "Fehler". Das eine Kind möchte Dinge gerne vorgeschrieben haben, dann mache ich das auf einer Schiefertafel. Das nächste Kind möchte alle Worte komplett selbst schreiben, sie sind eben lautgetreu-richtig. Die Art und Weise variiert natürlich total beispielsweise zwischen einem Kind der 1. Klasse oder einem Kind der 3. Klasse. Bei ersten Dokumentationen wäre es doch schön, wenn Kinder selbst überlegen, was sie wichtig fänden zu notieren und sind sie fortgeschritten, können sie begleitet werden, was denn auch für dritte Leser zusätzlich sinnvoll sein könnte. Auch für persönliche Projekte, Ideen, die individuell von den Kindern angegangen werden, dient das Waldtagebuch für allerhand Möglichkeiten, ob zur Informationssammlung, Dokumentation oder zu Präsentationszwecken.... Wir machen es uns einfach und haben ein Heft für vieles!

Ähnlich zum DinA5 Waldtagebuch gibt es auch ein kleines DinA6 Waldgeschichtenbüchlein. Hier können abenteuerliche Waldgeschichten jeden Tag ein Stückchen weiter geschrieben werden.


Zeit im Wald

Morgens besprechen wir gemeinsam den Wochentag und das Datum, welchen Monat wir gerade haben und in welcher Jahreszeit sich der Tag abspielt. Kleine Rechnungen kommen da auch gerne mit hinein. Welcher Tag ist übermorgen, welches Datum hat der gleiche Wochentag nächste Woche, wie hieß der letzte Monat, wieviel Tage ist er her?

Die Waldkinder haben auch von Anfang an jeder eine Uhr an. Sie ermöglicht uns Absprachen, wie lange welches Kind wo unterwegs ist und man kann wieder zusammen finden zu einer gewissen Uhrzeit. Den Umgang mit der Uhr hat sich jedes Kind schnell angeeignet. Diese Fähigkeit unterstützt die Selbstständigkeit der Kinder im eigenen Begehen des Waldes.


Eigene Projekte im Wald

Unsere Jungs haben vielseitige Interessen. Wir lassen ihnen gerne freien Lauf und fördern ihre eigenen Ideen, indem wir sie ihre eigenen Projekte umsetzen lassen. Meist geht es dabei um Waldtiere oder Insekten im jeweiligen Monat (März und April sind ja schon einmal recht aktionsreiche Monate, da passiert so viel: z.B. Haselmaus, Schwarzstorch, Zitronenfalter). Ganz generell geht es hierbei oft um Tiere und Pflanzen und ihre Abhängigkeiten im Wald. 
Manches Mal geht es aber auch um das Entdecken von Erfindungen aus der Natur selbst (z.B. Flugfrüchte, Lotus-Effekt, eigene Erfindungen planen, bauen und präsentieren). 
Zur Dokumentation von Zwischenschritten oder Arbeitsergebnissen nehmen die Jungs ihre Waldtagebücher.

In meinem Hänger habe ich meist Sachbücher dabei, eigentlich zu allen Waldthemen und Dinge, Themen, die uns sonst noch beschäftigen.... Manchmal lese ich auch einfach daraus vor oder ein Kind schmökert. Oh das ist wirklich ein Schatz, den man nicht unterschätzen sollte.


Mathematik und Deutsch

Mir macht es sehr viel Spass Mathematik und Deutsch in alle Sachthemen zu integrieren. Mathematisieren tun wir, wenn wir optimieren, mit geometrischen Formen arbeiten, Hochrechnungen machen, Alltagsrechnungen durchführen, Messen und sogar mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Wir stellen uns realistische Fragen und rechnen sie innerhalb unserer Sachthemen einfach auch einmal gemeinsam durch. Was würde das jetzt alles genau bedeuten, fragen wir uns! Z.B. wenn ein Wanderfalke 3 mal schneller fliegen kann als ein Turmfalke. Wenn wir zu 4. sind und 12 Stöcke brauchen für unser Vorhaben, wieviele muss jeder suchen? Wieviel Nusspackungen muss ich für eine Woche kaufen, wenn ich jeden Tag eine Hand voll Nüsse essen soll und in einer Packung etwa so viel drin ist, dass ich davon 4 mal essen kann.....

Dadurch, dass wir versuchen, so viel wie möglich zu dokumentieren, in unseren eigenen Projekten beschriften und Daten festhalten, bis hin zum eigenen Geschichten erfinden, wenden die Kinder ihre Fähigkeiten immer wieder an, festigen sie und bauen die Automatisierung aus.

In der Coronazeit habe ich Mathematik und Deutsch aber trotzdem nicht explizit in unseren Vorhaben umgesetzt, da die Kinder, sobald wir nach Hause kamen, ihre Pläne von der Schule abzuarbeiten hatten - Deutsch und Mathe. Ich sehe aber auch hier riesige Chancen und komme bestimmt irgendwann dazu, Ideen auszuprobieren und zu gestalten. Ich denke an Literaturprojekte, Kreativwerkstätten und kleine Mathematikolympiaden.... Unter anderen kleinen Aufgaben hatte ich hier und da schon Montessorimaterialien dabei (Goldene Perlen, Markenspiel, Multiplikationsbrett, Satzstern). Hier kann ich nur sagen, dass alleine die Anwendung und Handhabung des Materials auf dem Waldboden und unter freiem Himmel bedeutend praktischer ist als dies Arbeitsblätter wären...



Besondere Atmosphäre im Wald

Trotz vieler Naturgeräusche ist es im Wald leise. Ja leise! Es herrscht eine schöne geschäftige natürliche Stille. Der Wald hat eine super starke ausgleichende Wirkung und wir können alle sagen, dass sowohl Kinder wie Erwachsene jedes Mal verändert aus dem Wald zurück kommen! Streitereien werden nie so groß, man kann sich aus dem Weg gehen. Freude kann draußen vielfach größer sein. Jeder Mensch wird ganz mit all seinem Sein angesprochen. 



Elemente eines Tages im Wald

Genauso wie das tägliche Vogelstimmen hören einen festen Platz in unserem Tag hat, ist das auch mit dem Tier des Tages geworden. Es vergeht kein Tag, an dem wir uns ein besonderes Tier ansehen. Das sind nicht nur Waldtiere, aber doch gehen diese besonders am Anfang eines jeden Monats vor. Jeden Monat hat ein anderes Tier sozusagen Geburtstag und eine besondere Zeit im Wald. Was machen die Tiere im Wald in diesem Monat, in dem wir uns gerade befinden besonders? Aber auch Tiere der ganzen Welt werden besprochen und gezeigt, teilweise bestellen die Kinder schon am Vortag das nächste Tier. Manchmal bedeutet das für mich einiges an Recherche oder wir nehmen gemeinsam ein Lexikon zu Hilfe. Wieder ein anderes mal präsentiert ein Kind, was es besonderes zu diesem Tier weiß oder herausgefunden hat.... 

Was bei unseren Jungs auch ein großes Tageselement ist, ist neben dem Spielen von Spielen und gemeinsamen körperlichen Aktivitäten auch das Bauen. Wir möchten behaupten, dass sich mit dem Durchnehmen verschiedenster Kontruktionsstrategien ihr Bauverhalten fast täglich wandelt. Legten sie zu Beginn nur irgendwie Äste uns Stöcke aufeinander, können wir jetzt immer mehr System und das Umsetzen verschiedener Baustrategien wahrnehmen. Das ist für uns erstaunlich. Wir finden auch, dass sich zu Hause in der Bauweise mit Lego und Baufix einiges geändert hat, plötzlich werden eigene Ideen sehr kreativ angegangen und umgesetzt. Das Variieren und Anpassen an neue Bedingungen ist dabei auch nicht zu verachten.

Irgendwann am Tag im Wald, halten wir alle irgendwo einmal inne und bewundern und bestaunen das schöne der Natur vor unseren Augen. Ich nenne es manchmal gerne Anbetung. Wir stehen einfach da und finden etwas gemeinsam schön. Unglaublich verbindend eine solche Erfahrung.



Schutzraum und Co

Schutzräume sind eigentlich unerlässlich! Bei Regen, muss man sich unterstellen können und auch dort muss es Möglichkeiten geben, einen Kreis zu bilden. Eigentlich ist es schon so, dass die Kleidung der Kinder so 2 Stunden Regen durchhalten. An Regentagen muss man generell anders denken. Für Dokumentationen müssen einfach überdachte Plätze zur Verfügung stehen. Großer Luxus ist sicherlich die überdachte Veranda unseres Albvereinshüttchens aber wir können uns auch selbstgebaute überdachte Stehplätze unter Bäumen vorstellen. Hier gibt es unendlich viele Ideen, die einmal umgesetzt, täglich in Gebrauch sein können. Für manch ein strukturiertes Material kommt man aber um einen trockenen Innenraum nicht umhin. Im Winter ist der Ofen einfach genial und es können auch so einige Dinge damit gebacken und gebrutzelt werden, die in einer Stubengemütlichkeit verbindend und Gruppendynamik fördernd nicht zu verachten sind. Trotz Regen kommt aber eine gedrängte Stimmung nicht vor, da ist die Weite von Wald und Wiese einfach zu groß. Auch halb offene Bauernscheunen und Unterstellplätze für Gerätschaften sind eigentlich ideal. Was für uns aber besonders attraktiv an einem Schutzraum ist, ist der Ort der Identifikation, der Ausgangspunkt, von dem alles startet, wo man einen Platz für seinen Rucksack hat und auch sonst irgendwie "ankommt". 



Beispiel eines Tagesablaufs im Wald:


7:45

Gemeinsamer Treffpunkt mit Fahrrädern

GepackterHänger

8:00

Ankunft am entsprechenden Waldgebiet

Decke ausbreiten, Kisten bereitstellen

8:05

Gemeinsamer Start und erste Lernzeiten:

  • Meditatives Element (Stilleübung): Vogelstimmen hören - einen besondern Vogel mit Gesang neu kennen lernen 
  • Welcher Tag ist heute?
  • Waldtier des Tages
  • Tagesablauf besprechen
  • Individuelle Zeit für: Waldgeschichte schreiben im Geschichtenheft, eigenes Projekt, im Waldtagebuch weiter arbeiten/ etwas fertig stellen, ....
  • "Gemeinsames Thema" mit Input/ Forscherzeit/ Projektzeit 


Vogelstimmen

evtl. Visualisierung

Tierbild

Waldtagebuch, Geschichtenheft, Individuelle Forschungsgegenstände

entsprechende Materialien, Bestimmbücher

ca. 9:30

Spiel- und Bewegungszeit: Spiele, Schnitzeljagd, Kooperative Spiele mit Reflexion


ca. 9:50

Gemeinsames Vesper mit Geschichte oder Waldantworten

Quiz mit informativen Antworten, Geschichten

10:00

Entweder/Oder:

  • ein zweites "Gemeinsames Thema", eher gestalterisch
  • Werk- oder Kunstprojekt
  • größere Unternehmung, die täglich fortgeführt wird


Werkzeuge, Taschenmesser, Farben, etc.

10:50

Blitzlicht: Jeder sagt, welche Sache er am schönsten fand.

Gemeinsamer musikalischer Abschluss


Instrumente aus Hölzern, Steinen, Naturmaterialien